Claudia Kemfert: Kampf um Strom, Mythen, Macht und Monopole, Murmann-Verlag 2013

Claudia Kemfert ist Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der Hertie School of Governance in Berlin und Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin.

In ihrer lesenswerten, 140 Seiten umfassenden Streitschrift setzt sie sich mit den Argumenten der Befürworter einer konservativen Energiepolitik auseinander und plädiert mit viel Sachverstand und Detailkenntnis für eine zügige Umsetzung der Energiewende. Um den Kern der Zusammenhänge zu verstehen, reichen ihr drei Fakten.

  1. Die fossilen Energiequellen werden knapper und können den weltweiten steigenden Energiebedarf künftig nicht mehr decken.
  2. Sie verursachen klimaschädigende Treibhausgase.
  3. Erneuerbare Energien sind unendlich verfügbar und verursachen (mit Ausnahme von Biomasse) keine Treibhausgase.

Durch Analyse von Fakten und Prognosen ist sie zu dem Ergebnis gekommen, dass „der Ausbau der erneuerbaren Energien auf Dauer sowieso erforderlich sein wird und ein möglichst zügiger Ausbau wünschenswert ist, um uns unabhängig von Energieimporten zu machen und die schlimmsten Gefahren des Klimawandels zu vermeiden“ (Seite 19).
Ihren Vorsatz, dass sie „mit dieser Publikation zur Versachlichung beitragen“ will (Seite 20) vergisst sie leider sehr schnell und fällt vor allem auf den ersten 50 Seiten häufig in eine völlig überflüssige Polemik. Schon im nächsten Satz spricht sie von einer Auseinandersetzung mit den Schlachtparolen der Gegenseite, die beinahe schon zu Mythen geworden sind. Später ist dann von scheinheiligen Verkündungen, von Einflüsterern der Konzerne und ihrer Dreistigkeit, von Mauscheleien zwischen Politik und Wirtschaft die Rede, um nur einiges herauszugreifen. Auf dieses Niveau hätte sie sich nicht herablassen sollen. Sobald es um konkrete Sachfragen geht, tritt die Polemik erfreulicherweise in den Hintergrund und es zeigt sich, dass sie gute Argumente für eine zügige Energiewende hat.
Als – wie sie selbstkritisch anmerkt – „nicht mehr neutrale“ Partei setzt sie sich mit ihren „Gegnern“ auseinander, deren Argumente sie plakativ in ihren Kapitalüberschriften zusammenfasst, um sie dann im Einzelnen aus ihrer Sicht zu widerlegen.
In den ersten Kapiteln geht es um den Zeitplan für eine Energiewende. Wer argumentiert, die Energiewende sei bis 2022 nicht zu schaffen und müsse deshalb zugunsten des Ausbaus konventioneller Kraftwerke gedrosselt werden, verwechselt Atomausstieg (bis 2022) und Energiewende (bis 2050). Der Bau neuer Kohlekraftwerke mit einer Laufzeit von ca 60 Jahren würde weitere Stromkapazitäten durch erneuerbare Energien für lange Zeit nicht mehr erforderlich machen und die Energiewende um Jahrzehnte verzögern. Kemfert plädiert deshalb dafür, den Bau neuer Kohlekraftwerke durch den zügigen Ausbau erneuerbarer Energien überflüssig zu machen und die dafür notwendige Infrastruktur in Form neuer Stromtrassen und Speichermedien voranzutreiben. Sie erwartet erhebliche Kostensenkungen, weil die hohen Anschubkosten für erneuerbare Energien durch technologischen Fortschritt künftig entfallen und die Anlagen durch Skaleneffekte bei der Produktion billiger werden.Dagegen stehen bei den konventionellen Kraftwerken die künftig höheren Preise der knapper werdenden fossilen Brennstoffe und ihre negativen externen Effekte auf Umwelt und Gesundheit. Ein Vergleich konventioneller und erneuerbarer Energien hat auch zu berücksichtigen, wie staatliche Eingriffe (z.B. EEG-Umlage, Emissionsrechtehandel) die Preisbildung am Markt beeinflussen und welche Auswirkungen die Energiewende auf den Industriestandort Deutschland hat (Deindutriealisierung und Verelendung versus Wirtschaftsmotor und Wachstum).

Ihr Fazit: Es ist an der Zeit, entschieden zu handeln. Auch ein Alleingang Deutschlands ist sinnvoll.