Buchbesprechung von Armin Grunwalds Buch „Ende einer Illusion. Warum ökologisch korrekter Konsum die Umwelt nicht retten kann.“

Man bemerkt den Physiker und den Philosophen in Armin Grunwalds Werk „Ende einer Illusion. Warum ökologisch korrekter Konsum die Umwelt nicht retten kann“. Das nur 123 Seiten starke Taschenbuch ist gut strukturiert und die Unterkapitel mit griffigen Überschriften versehen. Ohne Überflüssiges führt uns Armin Grunwald durch den Dschungel der Lösungsansätze für die Misere, den der momentane Kurs der westlichen Industriegesellschaften verursacht und welcher uns über kurz oder lang in den ökologischen Kollaps führt. Wer soll‘s nun richten mit der Umwelt? Übersichtlich zählt Grunwald die verschiedenen Ansatzpunkte vergangener Nachhaltigkeitsbemühungen auf in Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft (beispielsweise Vereine) und gerade aktuell bei den Konsumenten als „schlafender Riese“. Einiges wird und wurde probiert, im Endeffekt half es immer wenig DIE Lösung für unsere Probleme bei nur einem Teil der Bevölkerung zu suchen und diesen zur Verantwortung zu ziehen. Moralischer Druck und Gesetze bringen für sich genommen zu wenig, um unseren Kurs erfolgreich in Richtung Nachhaltigkeit zu steuern – nein diese Dinge regen noch eher den Wunsch nach Aufbegehren, nach Widerstand an. Immer wird auf „die Anderen“ geschaut: Muss ich mich wirklich schlecht fühlen, wenn ich gerne bade und Mülltrennung anstrengend finde, und dann sehe, wie in manchen Großküchen und Kantinen aus Platz- und Zeitmangel generell nicht getrennt wird? Nun vermutet man bei „Ende einer Illusion“ eventuell radikale Ansätze, doch Grunwald tritt für eine Gesamtheit der Maßnahmen ein, für eine Bewegung, die alle betrifft: die Bürgerbewegung. Die große Illusion bezieht sich nicht auf die NOTWENDIGKEIT eines nachhaltigen Konsums, sondern darauf, dass die Konsumenten ihn mit millionen von Einzelhandlungen im Rahmen ihrer Konsumentensouveränität bewirken sollen.
Armin Grunwald setzt sich für mehr Bürgerinitiative innerhalb unserer demokratischen Gesellschaft ein, weil ALLE und JEDER Bürger ist und sich niemand von diesem Fakt freimachen kann. Dass es auch noch in 50 Jahren und mehr möglich sein wird, auf der Erde GUT zu leben, geht uns alle etwas an. „Durch individuelles Handeln kann Druck auf Institutionen aufgebaut beziehungsweise vergrößert werden, relevante gesellschaftliche Bereiche ökologisch ‚umzubauen‘. Auch haben Bürger oft Vorreiterrollen übernommen und gezeigt, dass ‚etwas geht‘. Aktuell geschieht das vielfach im Bereich der Energiewende, etwa in lokalen und kommunalen Aktivitäten. Allerdings muss auch ehrlich gesagt werden, dass dieses Umwelt- und Nachhaltigkeitsengagement derzeit auf der Ebene der ‚großen Politik‘ wenig sichtbar ist. Hier besteht Handlungs- und Motivierungsbedarf!“ (S.96-97)

Die Bürger also als Agenten des Wandels: Sie sollen neue Rollenmodelle entwickeln, Verantwortung für Nachhaltigkeit und Umwelt stärker ins Bewusstsein bringen, scheinbare Selbstverständlichkeiten erschüttern und Motivation für Veränderung schaffen (s.97) und dies durch Finden verbindlicher Regelungen im Sinne der Nachhaltigkeit und nicht durch bevormundende Beeinflussung des privaten Konsums. Die Grenzen dafür sind natürlich fließend. Aber Grunwald wird konkreter und schlägt vor, die etablierten gesellschaftlichen Strukturen aktiv in Frage zu stellen und Alternativen vorzuschlagen, wie Modifikation des Steuersystems, Einführung von Nachhaltigkeitsprüfungen auf allen politischen Ebenen, Verankerung und Konkretisierung von Nachhaltigkeit in den Programmen der politischen Parteien, Veränderungen in Energieversorgung und den Mobilitätsstrukturen der Zukunft und insbesondere einen Nachhaltigkeits-TÜV für Gesetze einzuführen. „Weiterhin wäre es ein großer Schritt, nicht nur neue, sondern auch bereits bestehende Gesetze [auf Nachhaltigkeit] zu prüfen. Viele Regelungen stammen aus einer Zeit, als weder Zukunftsverantwortung, Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen noch Nachhaltigkeit und die damit verbundenen Herausforderungen relevante Themen waren. Hier gälte es, kräftig auszuräumen … Wäre dies nicht ein Vorhaben, das Bürger einfordern könnten?“ (S.102)

Also soll es nun doch die Politik richten? Jein. Denn: „Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient.“(S.95) Nicht „die Politik muss es richten“ sondern „politisches handeln der Bürger“. Nicht, „der Einzelne hat keinen Platz“, sondern Bürger als Schlüsselakteure einer lebendigen Demokratie. Dies soll erreicht werden durch traditionelle politische Institutionen und Verfahren z.B. Engagement auf öffentlichen Plattformen und politischen Parteien, durch Dialoge, (Massen-)Medien, zivilgesellschaftliche Organisationen (S.98.), durch Interventionen im Stadtrat über die in den üblichen Planfeststellungsverfahren vorgesehenen Beteiligungs- und Anhörungsmöglichkeiten, bis hin zu öffentlichen Petitionen im Internet (S.108).

Doch wie regelt man den offensichtlichen Zwiespalt vom milliardenschweren Konzernchef, der Umsatz machen muss aber auch gleichzeitig Bürger ist mit ökologischen Interessen? Mit Konsistenz im Handeln: Kants Kategorischer Imperativ. Man soll nachhaltig leben, weil es richtig ist. Ethisch gutes Handeln, ohne die Pflichten von erwarteten Folgen abzuleiten. „Da wird Umweltschutz, der zu Hause anfängt, zu einem Akt der Selbstbehauptung, der nicht mehr darauf rechnet, die Welt zu retten, der aber die eigene Würde rettet.“ (Dahl 1992, S.245)

Armin Grunwald hat sein Buch durchdacht, auf ein Aber (wenn auch nur vom Leser gedacht) kommt prompt eine Erwiderung. Es ist ein Apell an den gesunden Menschenverstand, an den Gutmenschen. Was er schreibt ist nicht neu, aber vielleicht müssen wir uns an den Gedanken gewöhnen, dass es für vielschichtige Probleme in einer komplizierten Gesellschaft kein Allheilmittel geben KANN. Es müssen kleine und realistische Lösungen herhalten, die hier ganz offensichtlich zu finden SIND. Dabei sieht Grunwald die Kraft seiner Lösungsansätze durchaus realistisch: „Ich bin (bescheiden) optimistisch, dass viele Menschen den Sinn (nachhaltigkeits-)politischer Maßnahmen durchaus einsehen, auch wenn sie zunächst zu individuellen Nachteilen führen.“ (S.99)
Die Wahrheit ist einfach, dass Änderungen der eigenen Gewohnheiten und Verhaltensweisen nur durch wirkliche Einsicht geschehen können. Und auch wenn die Einsicht vorhanden ist, wie gerne wird verdrängt, weil es bequemer ist. Etwas Denken, beschließen und dann auch danach handeln folgen nicht immer aufeinander. Das Prinzip ‚aus den Augen, aus dem Sinn‘ klappt aber auch nur vorüber gehend. Es steht fest, dass wir den nachfolgenden Generationen einen beachtlichen Haufen Arbeit hinterlassen. Um wirklich etwas zu verändern, muss jeder Mensch bei seinem eigenen Kopf anfangen.
Konkret heißt dies einen kritischen Umgang mit dem eigenen Lebensstil und dem der akzeptierten Allgemeinheit pflegen. Neben möglichst ökologischem Konsum (z.B. weniger Verpackungen kaufen anstatt sich mit Mülltrennung zu beruhigen!) ist da auch Einsatz gefragt im Alltag. Wem unbezahltes Engagement in Verein oder Politik neben dem Brötchenverdienen zuviel ist, entgegnet Grunwald: „Es ist anstrengend, unbequeme Entscheidungen zu treffen. Daher ist hier die Macht von Bürgern gefragt, durch eigenes Engagement nachzuhelfen. Dies ist Teil unserer Verantwortung“ (S.100).
Armin Grunwald ist Realist und gibt in seinem Buch reale Möglichkeiten etwas zu verändern. Aber vielleicht ist es gerade diese Brisanzlosigkeit, die in einer Welt voller Marktschreier nur langsam Zuhörer findet.