Mit diesem neuen Projekt wollen wir die Aufmerksamkeit der Bevölkerung darauf lenken, dass seit Jahrzehnten Instrumente zum Natur- und Umweltschutz nicht oder nur halbherzig genutzt werden. Unser Augenmerk konzentriert sich auf Niedersachsen; das Problem aber hält sich nicht an Landesgrenzen.
Die Verpflichtung nachteilige Eingriffe in Natur und Landschaft zu kompensieren, indem man andere Flächen im Sinne des Arten- und Umweltschutz ökologisch aufwertet, ist im Bundesnaturschutzgesetz und im Baugesetzbuch klar geregelt (§ 15 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG, § 135a BauGB). Die Maßnahmen für die Ausweisung von kommunalen Baugebieten müssen dabei in sog. Grünordnungsplänen festgehalten werden. Diese sind Teil der rechtskräftigen Bebauungpläne – damit verjähren sie nicht, so dass die Pflicht zur Umsetzung der Maßnahmen auch Jahrzehnte später noch gegeben ist!
In den Grünordnungsplänen wird die Umweltprüfung für die Baumaßnahme durchgeführt. Entsprechend dem Ausmaß negativer Auswirkungen ergibt sich die Größe der Kompensationflächen und die Art der Maßnahmen zu ihrer ökologischen Aufwertung. Dabei gilt: je wertvoller die überbaute Fläche, desto umfangreichere Kompensationsmaßnahmen stehen an. Die Berechnung der erforderlichen Kompensationsmaßnahme erfolgt über eine Verrechnung der Grundfläche, auf der die Maßnahme umgesetzt wird einerseits und der Maßnahmenart andererseits. Eine Aufwertung kann durch Umwandlung von Ackerland in Grünland umgesetzt werden, eine Pflanzung eines Feldgehölzes oder einer Streuobstwiese wird mit mehr Punkten bei der Verrechnung berücksichtigt.
Werden tatsächlich naturnahe Lebensräume geschaffen, dient dies dem Naturschutz, dem Artenschutz und nicht zuletzt dem Klimaschutz. Doch wer kontrolliert, ob die Maßnahmen umgesetzt werden? Bis 2017 waren jeweils die Unteren Naturschutzbehörden der Landkreise zuständig. Was kommunale Baugebiete angeht, ist die Zuständigkeit seit 2017 aufgeteilt: Die Untere Naturschutzbehörde soll die Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen auf privaten Grundstücken kontrollieren, die Gemeinden die Umsetzung von Maßnahmen außerhalb der privaten Baugrundstücke.
Die Unteren Naturschutzbehörden in Niedersachsen sind seit 2013 per Verordnung verpflichtet, ein Kompensationsflächenkataster zu führen (NkompVzVO). Grünordnungspläne müssen als Teil von Bebauungsplänen seit 2017 ins Internet gestellt werden. Seit 2022 sollen gemäß dem Niedersächsischen Weg sowohl Kompensationsmaßnahmen nach Bundesnaturschutzgesetz (z.B. Straßenbau) als auch Kompensationsmaßnahmen nach dem Baugesetzbuch (z.B. kommunale Baugebiete) in einem zentralen Online-Verzeichnis für Niedersachsen einsehbar sein. Dieses befindet sich zurzeit noch im Aufbau.
Außerdem regeln die Umweltinformationsgesetze (UIG) auf Bundes- und Landesebene, dass diese Behörden einen freien Zugang zu Umweltinformationen schaffen und Umweltinformationen verbreiten sollen. Nach Niedersächsischem Umweltinformationsgesetz (NUIG) sind z.B. alle Kommunen auskunftspflichtig.
Welche konkreten Möglichkeiten gibt es also, an Informationen zu kommen?
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- eigene Recheche im Geoportal des Landkreises
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- Anfragen bei den zuständigen Behörden und Akteneinsichtnahme
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- ergänzende Vor-Ort-Abgleiche
Wir haben uns exemplarisch den Landkreis Göttingen angeschaut. Die Ergebnisse unserer Recherchen sind ernüchternd: Unsere Anfrage beim Landkreis blieb ergebnislos und das Kataster enthält für große Flächen praktisch keine Informationen zum Umsetzungsstand der geplanten Maßnahmen. Ein weiteres Instrumente des Landkreises Göttingen ist das sog. Geoportal. Dort findet man nach verschiedenen Sachgebieten geordnet „zahlreiche (Hintergrund-)Karten und Luftbilder sowie allgemeine raumbezogene Daten. Suchfunktionen ermöglichen den schnellen Zugriff auf Orte, Adressen, themenbezogene Informationen, wie beispielsweise verfügbare Bebauungspläne und weitere Geodaten“. (Quelle: https://www.landkreisgoettingen.de/landkreis/karten-geoportal)
Für unsere Fragen nach umgesetzten Kompensationsmaßnahmen ist die Suche im Bereich der Sachgebiete „Umwelt und Naturschutz/Abfallwirtschaft“ sowie „Bauen und Planen“ hilfreich. Letztlich sind wir aber auch hier auf große Informations- und auch Umsetzungslücken gestoßen. Unsere Abgleiche von Plänen, Karten und Luftbildern und eigene Vor-Ort-Abgleiche kamen zum Ergebnis, dass im Landkreis Göttingen etliche bereits in den 1990er Jahren abgeschlossene Planungen bis heute nicht umgesetzt sind.
Das Projekt ist übertragbar.