Maßnahmen zur Kompensation von kommunalen Bebauungsplänen – wie effektiv geschieht das und wie kann man es überprüfen?

Mit diesem neuen Projekt wollen wir die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass seit Jahrzehnten Instrumente zum Natur- und Umweltschutz nicht oder nur halbherzig genutzt werden. Unser Augenmerk konzentriert sich auf Niedersachsen; das Problem aber hält sich nicht an Landesgrenzen.

Verpflichtung zu Kompensationsmaßnahmen

Die Verpflichtung nachteilige Eingriffe in Natur und Landschaft zu kompensieren, indem man andere Flächen im Sinne des Arten- und Umweltschutz ökologisch aufwertet, ist im Bundesnaturschutzgesetz und im Baugesetzbuch klar geregelt (§ 15 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG, § 135a BauGB).

Verantwortung und Zuständigkeit

Die Ausweisung von kommunalen Baugebieten ist hoheitliche Aufgabe der Gemeinden und fällt unter die städtebauliche Eingriffsregelung. Damit gelten hier teilweise abweichende Kompensations-Regeln als bei anderen Eingriffen wie z.B. durch Straßenbau.

Die Maßnahmen für die Ausweisung von kommunalen Baugebieten müssen dabei in sog. Grünordnungsplänen festgehalten werden. Diese sind Teil der rechtskräftigen Bebauungpläne – damit verjähren sie nicht, so dass die Pflicht zur Umsetzung der Maßnahmen auch Jahrzehnte später noch gegeben ist!

Festlegung der Maßnahmen im Grünordnungsplan

In den Grünordnungsplänen wird die Umweltprüfung für die Baumaßnahme durchgeführt. Entsprechend dem Ausmaß negativer Auswirkungen ergibt sich die Größe der Kompensationflächen und die Art der Maßnahmen zu ihrer ökologischen Aufwertung. Dabei gilt: je wertvoller die überbaute Fläche, desto umfangreichere Kompensationsmaßnahmen stehen an.  Die Berechnung der erforderlichen Kompensationsmaßnahme erfolgt über eine Verrechnung der Grundfläche, auf der die Maßnahme umgesetzt wird einerseits und der Maßnahmenart andererseits. Eine Aufwertung kann durch Umwandlung von Ackerland in Grünland umgesetzt werden, eine Pflanzung eines Feldgehölzes oder einer Streuobstwiese wird mit mehr Punkten bei der Verrechnung berücksichtigt. 

Planzeichnung mit der Festlegung der Kompensationsmaßnahmen am Beispiel eines Bebauungsplans aus der Gemeinde Hattorf am Harz (Quelle: Geoportal Landkreis Göttingen)

 

Werden tatsächlich naturnahe Lebensräume geschaffen, dient dies dem Naturschutz, dem Artenschutz und nicht zuletzt dem Klimaschutz.

Zuständigkeiten bei der Durchführung der Maßnahmen

Für die Durchführung der auf den Baugrundstücken festgesetzten Kompensationsmaßnahmen ist nach § 135 a Abs. 1 BauGB der Vorhabenträger bzw. Bauherr zuständig. Für die außerhalb der Baugrundstücke durchzuführenden Maßnahmen ist nach § 135 a Abs. 2 BauGB die Gemeinde zuständig

Doch wer kontrolliert, ob die Maßnahmen umgesetzt werden?

Bis 2017 waren jeweils die Unteren Naturschutzbehörden der Landkreise zuständig. Was kommunale Baugebiete angeht, ist die Zuständigkeit seit 2017 aufgeteilt:  die Untere Baubehörde soll die Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen auf privaten Grundstücken kontrollieren, die Gemeinden die Umsetzung von Maßnahmen außerhalb der privaten Baugrundstücke. 

Die Unteren Naturschutzbehörden in Niedersachsen sind seit 2013 per Verordnung verpflichtet, ein Kompensationsflächenkataster zu führen (NkompVzVO). Grünordnungspläne müssen als Teil von Bebauungsplänen seit 2017 ins Internet gestellt werden. Seit 2022 sollen gemäß dem Niedersächsischen Weg sowohl Kompensationsmaßnahmen nach Bundesnaturschutzgesetz (z.B. Straßenbau) als auch Kompensationsmaßnahmen nach dem Baugesetzbuch (z.B. kommunale Baugebiete) in einem zentralen Online-Verzeichnis für Niedersachsen einsehbar sein. Dieses befindet sich zurzeit noch im Aufbau.

Außerdem regeln die Umweltinformationsgesetze (UIG) auf Bundes- und Landesebene, dass Behörden einen freien Zugang zu Umweltinformationen schaffen und Umweltinformationen verbreiten sollen. Nach Niedersächsischem Umweltinformationsgesetz (NUIG) sind z.B. alle Kommunen auskunftspflichtig.

Welche konkreten Möglichkeiten gibt es also, an Informationen zu kommen?

    • Anfragen bei den zuständigen Behörden und Akteneinsichtnahme
    • ergänzende Vor-Ort-Abgleiche

 

Wir haben uns exemplarisch den Landkreis Göttingen angeschaut. Die Ergebnisse unserer Recherchen sind ernüchternd: Unsere Anfrage beim Landkreis blieb ergebnislos und das Kataster enthält für große Flächen praktisch keine Informationen zum Umsetzungsstand der geplanten Maßnahmen. 

Unsere Abgleiche von Plänen, Karten und Luftbildern und eigene Vor-Ort-Abgleiche kamen zum Ergebnis, dass im Landkreis Göttingen etliche bereits in den 1990er Jahren abgeschlossene Planungen bis heute nicht umgesetzt sind. Hier finden Sie unsere Fotodokumentation, in der wir stichprobenartig Defizite zusammengetragen haben (Stand Juni 2025). Hier finden Sie unsere Fotodokumentation zu Umsetzungsdefiziten der Kompensationsmaßnahmen zum Bebauungsplan 21 aus der Gemeinde Hattorf und hier finden Sie eine Übersicht zu offensichtlichen Umsetzungsdefiziten im Raum Bad Sachsa-Herzberg-Bad Lauterberg.

Dementsprechend versuchen wir nun über Informationsveranstaltungen, über Anfragen bei Politik und Verwaltung aber auch auf juristischen Weg darauf hinzuwirken, dass Informationen zum Umsetzungsstand öffentlich zugänglich werden und Umsetzungsdefizite aufgearbeitet werden.

In der Realisierung der Grünordnungspläne läge eine große Chance für den Naturschutz. Daher wollen wir weiter darauf dringen, dass die Kommunen ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen.

Umsetzungsdefizite aus der kommunalen Bauleitplanung

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Werden Sie selber aktiv! Verschaffen Sie sich einen Überblick über den Umsetzungsstand von Kompensationsmaßnahmen, die Ihre Kommune im Zusammenhang mit ihrer Bauleitplanung durchführen muss. 

Sprechen Sie Ihre Gemeinderäte und die Kommunalverwaltung auf etwaige Defizite an!

Hier finden Sie eine Anleitung , wie Sie sich anhand des Geoportals des Landkreises Göttingen über die Situation in Ihrer Kommune informieren können.

Zusätzlich können Sie anhand der Satzungen im Ratsinformationssystem Ihrer Gemeinde prüfen, ob die privaten Bauherren in einem der kommunalen Baugebiete bereits für die Finanzierung der Umsetzung der Kompensationsmaßnahmen veranlagt worden sind.

Hier finden Sie unseren Vortrag „Tod im Aktenschrank – warum sich die Prüfung von Bebauungsplänen für den Naturschutz lohnt

Und hier noch einmal die Infos zu Kompensationsmaßnahmen und Umweltinformationsgesetz kompakt:

 

 

Übertragbarkeit:
Das Projekt ist übertragbar. Gerne können andere Initiativen und Einzelpersonen die oben angebotenen Materialien nutzen. Gerne können Sie mit uns Kontakt aufnehmen, wenn Sie sich Beratung oder Unterstützung bei Ihrer Recherche wünschen.